Es war zwar eine geniale und moderne Idee, mein Grußwort per Skype zu übertragen, wenn der Verein „Liberale Sozialwerke“ tagt, doch die Skype-Verbindung war leider äußerst suboptimal. Zum Glück hatte ich mein Grußwort aber bereits im Vorfeld schriftlich übermittelt, sodass es vor Ort verlesen werden konnte.
Gerne stelle ich auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, den Wortlaut vor, denn die Verbindung von sozialem Handeln und Liberalismus ist sehr naheliegend:
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde des Liberalismus,
selten habe ich mich über eine Einladung so gefreut wie über diese, und selten habe ich mich so geärgert, eine Einladung nicht annehmen zu können. Ich hätte doch viele Leute treffen können, die ich bisher nur von Facebook kenne, und die mir trotz der bisher nur virtuellen Bekanntschaft sehr ans Herz gewachsen sind.
Für mich ist der Liberalismus die einzige Gesellschaftsform, in der man wahrhaft sozial handeln kann – in der man ohnehin nur autonom handeln kann. Sozial sein – und das sage ich als behinderter Mensch, der schon oft von sozialen Taten vermeintlich verwöhnt werden sollte – sozial sein heißt nicht, mit Geld ruhig gestellt zu werden. Sozial bedeutet, die Chance zu bekommen, etwas für die Gesellschaft zu tun. Denn auch für behinderte Menschen muss sich Leistung lohnen. Dieses gilt insbesondere, als dass deren Anstrengungen oftmals einen größeren Energieeinsatz bedeuten als für andere Personen. In diesen Fällen ist eben immer reichlich Improvisationstalent gefragt.
In meiner Abiturreede habe ich den Satz von Seneca-Junior zitiert „Vivere militare est – leben bedeutet, kämpfen zu müssen.“ Das trifft auf viele Menschen zu. Aber ein guter Kampf darf nicht im Sinne der Gerechtigkeit konterkariert werden. Was heute leider oftmals missverstanden wird, ist, dass Gerechtigkeit alles andere als Gleichheit bedeutet! Diesen Nachweis habe ich auch in meiner Dissertation geführt. Von der Politik wird diese Aussage jedoch immer abgewiesen werden, weil die Angst zu groß ist, durch das Zulassen von Ungleichheit Diskriminierung zu erzeugen. Deshalb stellen sich viele aktuelle Politiker gerne in ein gutes Licht, indem sie die Ungleichheit anhand von sich oftmals auch widersprechenden Statistiken belegen und Wege aufzeigen, wie diese vermeintlich zu minimieren sind. Das hat schon im Kommunismus nicht funktioniert. In Wirklichkeit muss es aber um das Management von Ungleichheit gehen statt um deren Beseitigung. Diese wird nämlich nur in einer Staatsform gelingen – der Diktatur.
Ich bin jedoch lieber frei und ungleich!
Diese Aussage möchte ich sogleich auf das Thema „Behinderung“ anwenden. Es ist sicher für alle Beteiligten nicht schön, wenn ein geliebter Mensch einer Behinderung unterliegt – ich vermeide bewusst den Ausdruck „unter einer Behinderung leidet“. Jedoch gibt es eine derart große Spannweite von Behinderungen und deren Ausprägungen, dass „Behindert-Sein“ eigentlich keine gute Klammer ist, um die Gesellschaft in „behindert“ und „nicht behindert“ zu unterteilen. Aber halt, alles andere wäre ja wieder diskriminierend. Eine derartige Unterteilung begrenzt so ganz nebenbei natürlich auch noch lästige Konkurrenz. Daher ist nicht zu erwarten, dass sich hier in absehbarer Zeit andere Kriterien durchsetzen werden.
Abschließend möchte ich drei Erwartungen an die liberalen Sozialwerke formulieren, die in diesem Geiste stehen:
- Sie sollten dabei behilflich sein, Ungleichheit zu managen, nicht zu nivellieren oder zu verfestigen.
- Sie sollten das liberale Menschenbild in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen, wonach jeder Mensch einzigartig ist und auch als so jemand wahrgenommen werden möchte.
- Sie sollten Wege finden, Gemeinwohl fördernde Aufgaben nicht einseitig dem Staat anzulasten, sondern das Verhältnis von Kosten und Nutzen stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Ihr Dr. Carsten Dethlefs
Das Grußwort wurde der Öffentlichkeit nun auch auf youtube zugänglich gemacht!